Gedanken zum Thema Hören

Nachricht 18. Juli 2021

Regionale Sommerkirche "Mit allen Sinnen"

Einleitung: Was hat Hören mit unserem Glauben zu tun?

Das Hören ist auch im Hinblick auf unseren Glauben von Bedeutung, denn auch Gott hat eine Stimme.

Deshalb wollen wir uns einmal auf die Suche danach machen, wo wir Gott und seine Stimme hören können. Das ist eine Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist.

Nicht selten ist es nämlich so, dass man auch erst verstehen muss, dass es sich bei dem, was man gerade hört, um Gottes Stimme handelt.

 

Lesung: Samuel muss erst verstehen, dass er Gott hört

Hören wir uns dazu eine Geschichte aus dem 1. Buch Samuel 3,1-10 (Übersetzung Basisbibel) an. Dort heißt es:

1 Der junge Samuel tat Dienst für den Herrn unter der Aufsicht des Priesters Eli. Zu dieser Zeit kam es nur noch selten vor, dass der Herr ein Wort mitteilte. Weit und breit gab es auch keine Vision mehr. 2 Eines Tages geschah Folgendes: Eli war bereits zu Bett gegangen. Seine Augen waren im Alter schwach geworden, sodass er kaum noch etwas sehen konnte.3Samuel aber legte sich im Tempel des Herrn hin, wo die Lade Gottes stand. Die Lampe Gottes brannte noch. 4 Da rief der Herr den Samuel. Der antwortete: »Hier bin ich!« 5 Schnell lief er zu Eli hinüber und sagte: »Ja, hier bin ich, du hast mich gerufen.« Eli erwiderte: »Nein, ich habe dich nicht gerufen. Zurück ins Bett!« Da ging er zurück und legte sich schlafen. 6 Doch der Herr rief noch einmal: »Samuel!« Wieder stand Samuel auf, lief zu Eli und sagte: »Ja, hier bin ich, du hast mich gerufen.« Er antwortete: »Nein, ich habe dich nicht gerufen. Zurück ins Bett, mein Sohn!« 7 Samuel aber erkannte nicht, dass der Herr ihn gerufen hatte. Denn er hatte noch nie ein Wort des Herrn erhalten. 8 Der Herr rief den Samuel ein drittes Mal. Wieder stand er auf, ging zu Eli und sagte: »Ja, hier bin ich, du hast mich doch gerufen.« Da merkte Eli, dass der Herr den Jungen rief. 9 Eli sagte zu Samuel: »Leg dich wieder hin! Und wenn er dich nochmals ruft, dann antworte: Rede, Herr, dein Knecht hört!«  Samuel legte sich wieder hin an seinen Platz. 10 Da kam der Herr und trat zu ihm hin. Er rief wie die anderen Male: »Samuel, Samuel!« Und Samuel antwortete: »Rede, dein Knecht hört!«

 

 

Überlegungen: Wo können wir Gott hören?

Samuel musste erst verstehen, dass Gott ihn rief, musste verstehen, dass er Gott, dessen Stimme und in der Folge dessen Auftrag hörte.

Wir haben uns überlegt, wo wir eigentlich die Möglichkeit haben, Gott zu hören und wollen Sie nun mithineinnehmen in unsere Überlegungen:

 

In Bibeltexten

Ich habe hier eine Bibel. Sie steht dafür, dass zum Hören im Glauben das Hören von und das Hören auf Biblische Texte gehört. In unserer evangelisch-lutherischen Kirche wird dieser Aspekt sehr stark betont. Denn schon Martin Luther gewann die zentrale Erkenntnis seines Glaubenslebens dadurch, dass er hinhörte. Als er völlig verzweifelt war, sagte ihm die Stimme Gottes, die ihm in der Bibel begegnete, Folgendes: „Du musst dir den Himmel nicht verdienen, er steht dir offen.“ Dieses Erlebnis war der Grund dafür, dass es Luther so wichtig war, dass die Menschen die biblischen Geschichten in ihrer eigenen Sprache hören können. Dazu übersetzte er die Bibel. Alle sollten die Erzählungen von Menschen hören können, die Erfahrungen gemacht hatten in Begegnungen mit Gott und Jesus Christus. Sie sollten hören z.B. von Abraham und Sarah, vom barmherzigen Samariter oder vom verlorenen Sohn. Denn im Hören dieser biblischen Geschichten kann die Nähe, Zuwendung und Vergebung Gottes erlebbar werden.

In anderen biblischen Texten erhalten die Menschen Weisungen und können sich hineinfallen lassen in Worte des Gebetes, des Trostes, der Klage oder des Dankes. Auch hier sind Glaubenserfahrungen zu hören. Das Hören auf das Wort Gottes war für Martin Luther das Fundament des Glaubens und es ist es auch für uns heutige Menschen noch.

So mag ein jeder einmal für sich selbst überlegen: Was ist in mir schon einmal beim Hören eines bestimmten Bibeltextes ausgelöst worden?

Wir wollen Ihnen die Gelegenheit geben, einmal auf den Text zu hören, der Martin Luther zu seiner reformatorischen Entdeckung geführt hat. Spüren Sie dem nach, was sie jetzt gleich hören. Wenn Sie mögen, schließen Sie dazu die Augen. Paulus schreibt:

16 Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen. 17 Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht (Hab 2,4): „Der Gerechte wird aus Glauben leben.“

 

Im Gebet

Ich habe hier eine Kerze. Sie steht dafür, dass das Hören im Gebet zum Glauben gehört.

Vielleicht überlegen Sie jetzt gerade, ob es im Gebet nicht eher um das Reden mit Gott geht. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille, im Gebet geht es zu einem großen Teil auch um das Hören auf Gott.

So wird uns auch von Jesus erzählt, dass er sich zum Gebet immer wieder in die Stille zurückgezogen hat, um ganz Ohr für Gott zu sein. So wird von Maria, der Mutter Jesu, berichtet, dass sie über Botschaften, die sie nicht sofort verstand, erst einmal still nachdachte. Sie „bewegte sie in ihrem Herzen“, heißt es dann.

In der Stille kann man seine Ohren gut auf Empfang stellen. Man kann beten um Erkenntnis oder die Fähigkeit, die richtige Entscheidung treffen zu können, um Kraft und Ausdauer, um einen behüteten Weg und vieles mehr. Wenn man im Gebet zur Ruhe gekommen ist, kann man auch die eigenen Gedanken, die gedachten oder gesprochenen Worte besser wahrnehmen. Und dann kann man Gott sein hörendes Herz hinhalten. Dabei rechnet man damit, dass Gott einem begegnen will, dass er einem während des Gebetes etwas sagen will. Dazu gehört auch, sich bewusst zu machen, dass Gott den Beter nicht nur bestätigen oder in dessen Ungewissheit verharren lassen will, sondern ihn weiterführen wird. Dieses Vertrauen ist eine entscheidende Voraussetzung für heilsames Zuhören.

Wir möchten das jetzt einmal mit Ihnen ausprobieren. So lassen sie uns gemeinsam still werden und beten:

Gott, wir sind hier und wollen ganz Ohr sein. Wir bringen in der Stille vor dich, was einen jeden persönlich bewegt. Und wir wollen hören auf deine Stimme.

Stille

Wir danken dir, guter Gott, dass wir von dir gehört werden und du dich hören lässt.

Amen

Predigt

Liebe Gemeinde,

vielleicht haben Sie sich auch schon einmal diese Frage gestellt: Warum nehmen Kinder das Wort „Eis“ auch beim konzentriertesten Spielen sofort wahr, die Aufforderung zum Aufräumen jedoch dringt auch bei der fünften Wiederholung nicht zu ihnen durch?

Kinder besitzen in ausgeprägtem Maße die Fähigkeit, beim konzentrierten Spielen die Wahrnehmung ihrer Umwelt auf die für sie wichtigsten Informationen oder Störungen zu reduzieren. Und auch für uns Erwachsene ist es überlebenswichtig, dass wir mehr oder weniger unbewusst immer wieder Reize ausblenden, die auf unsere Sinnesorgane einwirken. Von den Unmengen an Informationen, die pro Sekunde auf unsere Sinnesorgane einströmen, dringt nur ein minimaler Anteil in unser Bewusstsein vor. Auf diese Weise können wir im Zug ein Buch lesen, während rundherum Gespräche stattfinden. Und trotzdem würden wir den Ausruf „Es brennt!“ niemals überhören.

Das zeigt: Wir Menschen sind gezielte Zuhörer.

Gezielte Zuhörer – das scheint mir eine gute Beschreibung auch für das Hören in unserem Glaubensleben zu sein. Bei alledem, was wir Ihnen gerade vorgestellt haben, ist es sehr wichtig, gezielt hinzuhören, aufzuhorchen, aber auch in sich hinein zu hören.

Wir stehen damit in einer langen Tradition. Soweit wir zurückdenken können haben Menschen auf Gott gehört. Die Bibel erzählt davon: Menschen hören Worte Gottes, die ihnen sagen, wie sie sich verhalten sollen, und die ihnen den Weg weisen. Ganz berühmte Beispiele sind die zehn Gebote, die als direkte Rede Gottes an sein Volk formuliert sind. Oder denken Sie an die Bergpredigt oder andere Worte Jesu. Dabei wird deutlich: Hören, gehören und gehorchen hängen untrennbar zusammen.

Bekannte Propheten wie z.B. Jona haben Gottes Weisung empfangen und wollten den Auftrag lieber gar nicht erst hören, haben versucht, ihn zu überhören, sich ihm zu entziehen. Aber es gelang ihnen nicht.

Hören oder Nicht-Hören entscheidet in vielen Bibelgeschichten über das Schicksal des Menschen. Durch das Hören auf Gottes Wort entsteht Gottes Nähe. Der Grundton, den wir dabei hören können, lautet: Gott will uns froh machen. Er hat uns in Jesus Christus sein Wort ganz nahe gebracht.

Gottes Wort zu hören kann tröstend und ermutigend sein. Es kann einem gut zusprechen, aber auch aufwecken und beunruhigen. Was wir von Gott hören, ist nicht immer bequem. Die Frage ist, ob wir bereit sind, auch in diesen Fällen darauf zu hören. Oder ob wir Gottes Wort etwa nur dann berücksichtigen wollen, wenn es unseren Wünschen und Vorstellungen entspricht.

Viele Christinnen und Christen berichten davon, dass sie Gottes Wirken in ihrem Leben spüren, ihn als Kraftquelle und Trostspender erleben. Dass sie bei wichtigen Entscheidungen Führung von ihm erfahren.

Und das geschieht, weil sie hinhören. Weil sie einen hörenden Glauben pflegen. Weil sie gezielte Zuhörer sind.

So mag dieser Sonntagmorgen eine Einladung sein, sich einmal selbst zu fragen, ob man ein entsprechendes Hören für den eigenen Glauben pflegt.

Und dazu gehört auch die Frage: Was kann uns daran hindern, auf Gottes Stimme zu hören?

Dabei können mehrere Aspekte eine Rolle spielen:

Vielleicht ist es die Vermutung, dass Gott ohnehin nicht mit uns reden will.

Aber haben nicht so viele Erfahrungen das Gegenteil bezeugt, haben gezeigt, dass Gott mit uns Menschen in Kontakt treten möchte? Im dritten Kapitel der Offenbarung des Johannes hören wir das Versprechen: „ Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen (…).“

Ein Hinderungsgrund, Gottes Stimme zu hören, kann auch darin bestehen, dass es oftmals einfach zu viele Stimmen sind, die uns täglich zu Ohren kommen. Dann entsteht schnell ein Stimmengewirr und man hört deshalb einfach gar nichts mehr oder zumindest gar nichts mehr richtig. Ein Stimmengewirr, das erinnert an den Turmbau zu Babel. Vieles Gerede durcheinander und nichts wird mehr verstanden. Umso bedeutender ist das Geschehen an Pfingsten, ein Gegenbild zur babylonischen Sprachverwirrung. Menschen hören und verstehen plötzlich Gottes Botschaft. Dabei spielt Gottes Heiliger Geist die maßgebliche Rolle.

Das führt uns auf eine weitere wichtige Spur. Gottes Geist will uns dabei helfen, gezielte Zuhörer zu werden. So kann man auch sagen: Was sich im Hören ereignet, ist Handlungsraum für den Heiligen Geist. Der Heilige Geist hat die Möglichkeit, alle Schwerhörigkeit zu überwinden. Er kann die Sehnsucht in uns wecken, ein Mensch zu werden wie Samuel, jener Prophet und Richter, von dem wir gerade in der Lesung gehört haben. Er hat gelernt, zu sagen: Rede Herr, dein Knecht hört! Wie Samuel müssen wir vielleicht manchmal erst erkennen, dass wir Gottes Stimme hören.

Und noch ein letzter Aspekt: Im biblischen Menschenbild bezeichnet das Herz die Mitte und das Ganze des Menschen. Als König Salomo Gott um Weisheit bittet, äußert er den Wunsch nach einem hörenden Herz. Mit dem Herzen und den Ohren auf Gott hören, das ist praktische Klugheit, die dem menschlichen Leben dient.

So sind wir eingeladen, bewusst zu hören und dazu die verschiedenen Möglichkeiten zu nutzen. Wir sind eingeladen zum hörenden Glauben. So können wir gezielte Zuhörer werden.

Die entscheidende Frage lautet heute also: Haben wir das Herz und die Ohren offen? Ja, trauen wir uns, auf diese Weise auf Gott zu hören? Lassen Sie es uns immer wieder ausprobieren!

Dann werden wir am Ende mit einstimmen können in diese Worte aus dem Buch Jesaja:

„Gott der Herr weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören. Gott der Herr hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück.“ (Jes 50,4f.)

Amen

 

Pastorin

Dr. Heidrun Gunkel
Luisenstraße 11
31224 Peine