Gedanken zum 8. Sonntag nach Trinitatis

Nachricht 25. Juli 2021

Predigt zu 1. Kor 6,9-14.19-20

Liebe Gemeinde!

Bereits vor mehr als zehntausend Jahren haben Menschen damit begonnen, Tempel zu errichten. Wir finden sie in den verschiedensten Kulturen, bei den alten Ägyptern, in Mesopotamien, bei Griechen und Römern sowie bei den Maya und Azteken. Es gibt buddhistische und hinduistische Tempel und den Tempel von Jerusalem. Der Begriff „Tempel“ wird auch im übertragenen Sinne gebraucht, denn heutzutage spricht man manchmal von Wellness-Tempeln oder Fußball-Tempeln.

Von der lateinischen Wortbedeutung her meint templum erstmal nichts anderes als einen vom Weltlichen, vom Profanen abgegrenzten Bezirk. Tempel sind oft sehr besondere, prächtige Gebäude, die schon auf den ersten Blick erkennen lassen, dass sie dem Heiligen, Göttlichen dienen sollen. Schönheit, Vollkommenheit, aber auch Macht spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Manche der ursprünglich als Tempel dienenden Gebäude fungieren heute nur noch als Museen oder sind gar zu Ruinen verfallen. Andere jedoch sind nach wie vor lebendig und in Benutzung.

Oft werden die Tempel als Wohnung Gottes angesehen, meist wird davon ausgegangen, dass man dem Göttlichen dort besonders nahe sein kann. Der Tempel dient dabei als Ort für die Ausübung des Kults, dort werden die entsprechenden Rituale vollzogen. Der Tempel dient als Ort für die Gemeinschaft derer, die dazu gehören. Manchmal gibt es auch Voraussetzungen, die man erfüllen muss, damit man den Tempel betreten darf.

Tempel sind also ganz besondere Gebäude, von denen eine große Strahlkraft ausgeht, die Menschen anzieht.

Und nun hören wir in den Worten des Paulus aus dem 1. Korintherbrief:

„Euer Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes, der in euch wirkt. Gott hat ihn euch geschenkt! Nun gehört ihr nicht mehr euch selbst.“

Ihnen ist vielleicht schon aufgefallen, dass ich eben keinen christlichen Tempel genannt habe. Das liegt daran, dass – so wie Paulus es ausdrückt – der Mensch mit seinem ganzen leiblichen Sein als Tempel für Gottes Heiligen Geist dienen soll. Der Grund dafür liegt in der Taufe: In der Taufe wird den Christen der Geist geschenkt als Zeichen ihrer Verbundenheit mit Gott und ihrer Zugehörigkeit zu Christus. So beschreibt es Paulus: „Aber ihr seid reingewaschen worden. Ihr seid zu Heiligen geworden und von Gott als gerecht anerkannt. Denn ihr seid im Namen unseres Herrn Jesus Christus getauft – und habt den Geist unseres Gottes empfangen.“

Mit der Taufe findet ein Herrschaftswechsel statt, eine Reinigung und eine Befreiung von der Macht des Bösen. Die daraus resultierende Konsequenz lautet, dass sich der Mensch im Horizont der Herrschaft Christi ganz anders zu verhalten hat als die, die im Bannkreis der Sünde und des Egoismus leben. Das ist auch die selbstverständliche Erwartung.

Dass der Körper ein Tempel für Gottes Geist ist, ist eine Würdigung, die einmalig ist, ja unvergleichlich. Was für eine Wertschätzung ist das! Etwas von Schönheit und Vollkommenheit ist in uns zu sehen, so wie wir leibhaftig sind! Gott kommt uns Menschen auf diese Weise so nah wie möglich, wohnt nicht in Gebäuden aus Stein, sondern mitten in unserem menschlichen Leben.

Dabei ermutigt der paulinische Text zu einem achtsamen, liebevollen Umgang mit dem Körper, sowohl Körperkult als auch Leibfeindlichkeit werden negativ bewertet.

Es ist also nötig, diesen Tempel gut zu behandeln. Paulus scheint in großer Sorge zu sein, dass Menschen mit ihrem kostbaren Körper nicht gut umgehen. Er sagt: Passt auf, wer oder was Macht über euch hat. Und dazu formuliert er ein wichtiges Kriterium für das richtige Handeln: „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich.“ Das Kriterium für das Handeln ist also die Orientierung an dem, was für den Einzelnen, aber auch für die Gemeinde nützlich ist und was die in Christus geschenkte Freiheit nicht zerstört. Wer rücksichtslos alles tut, was grundsätzlich erlaubt ist, ohne auf die berechtigten Bedürfnisse anderer Rücksicht zu nehmen, handelt schnell unrecht.

Paulus nennt in diesem Zusammenhang einige Probleme der korinthischen Gemeindeglieder, mit denen wir heute nicht mehr viel anfangen können, weil sie in unserem Alltag keine Rolle spielen. Andere Probleme sind bis heute aktuell geblieben. Denken Sie an den übermäßigen Gebrauch der Dinge, seien es Genussmittel, Medikamente oder Drogen. Denken Sie aber auch an psychische Erkrankungen wie die Sucht nach immer mehr Reichtum, Macht und Einfluss. Menschen bleiben Menschen. Sie können Gott ganz nahe sein. Aber Menschen befinden sich auch in steter Gefahr, ihr eigenes Leben zu zerstören. Da muss immer wieder genau hingeschaut und ehrlich mit sich selbst umgegangen werden. Essen und trinken wir, weil der Genuss wunderbar ist - oder sind wir abhängig? Freuen wir uns an dem, was wir besitzen, nutzen wir es zweckentsprechend - oder dient es nur der Hebung unseres Selbstwertgefühles? Können wir uns an unserem Körper, an unserer Sexualität freuen - oder geht es auch dabei nur um Machtausübung oder Ersatzbefriedigung? Es sind sehr persönliche Fragen, die uns an dieser Stelle von Paulus gestellt werden.

Paulus ist in Sorge, dass die Schönheit und Vollkommenheit des menschlichen Leibes als Tempel Gottes verloren geht. Das darf nicht geschehen, im Gegenteil! Von diesem menschlichen Tempel soll doch eine Strahlkraft ausgehen. So wie wir es vorhin auch im Wochenspruch gehört haben: Lebt als Kinder des Lichts! Die Christen sollen sich ihrem Status entsprechend als Tempel des Heiligen Geistes begreifen und demgemäß verhalten. Dazu hat Gottes Heiliger Geist den Menschen immer wieder Kraft verliehen, hat sie darin bestärkt, sündenfrei zu leben, Barrieren zu überwinden und Versöhnung zu erreichen. Was bedeutet das nun konkret für uns?

Das kann bedeuten, dass wir uns an der Schönheit des Lebens freuen und Gott dafür dankbar sind. Genauso kann es bedeuten, dass wir Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe, ihrem Geschlecht, ihrem Besitz oder anderen Äußerlichkeiten beurteilen. Es kann bedeuten, Menschen dabei zu helfen, die genannten Abhängigkeiten zu überwinden. Es gibt so viele Möglichkeiten, Gott mit dem Leib zu preisen und dadurch Kinder des Lichts zu sein. Gott traut uns zu, dass in unserem Leben etwas von seiner Schönheit und Vollkommenheit leuchtet, dass wir ihn als Tempel des Heiligen Geistes repräsentieren. Gott will durch uns in dieser Welt sichtbar werden.

Tempel sind ganz besondere Gebäude, von denen eine große Strahlkraft ausgeht, die Menschen anzieht. Und so können und sollen auch wir sein! Oder mit Paulus gesprochen: „Darum preist Gott mit eurem Leibe.“

Amen

 
 

Dr. Heidrun Gunkel
Luisenstraße 11
31224 Peine