Gedanken zum 6. Sonntag nach Trinitatis

Nachricht 11. Juli 2021

Predigt zu Matthäus 28, 16-20

16 Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. 17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. 18 Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

bei der Fußball-Europameisterschaft hatte es im niederländischen Fernsehen vor einem Spiel beim Abspielen der deutschen Nationalhymne eine Panne gegeben. Da wurde nämlich der Text der ersten Strophe eingeblendet, in dem es heißt „Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt“. Aus gutem, sehr gutem Grund findet diese Strophe keine Verwendung, weil man sie als überheblich, nationalistisch und als einen Ausdruck nach Herrschaft über andere verstehen kann. Die Niederlande selbst waren 1940 von der deutschen Wehrmacht überfallen worden, und in der Folge begann eine Schreckensherrschaft über das Land und seine Menschen, wie auch anderswo, weil da ein Land, das Deutsche Reich, in Richtung Weltherrschaft strebte. Bis heute hin gibt es immer wieder Regierungen, die nach möglichst großem Einfluss in der Welt streben und das Leben von Menschen im eigenen Land und weit darüber hinaus bestimmen und diktieren wollen. Oft genug geschieht es mit gewaltsamen Methoden und Mitteln.

     Ich habe etwas mitgebracht: das Kreuz auf der Weltkugel. Es ist insbesondere das Zeichen der Evangelischen Jugend. Jemand fragte einmal: Ist das nicht ein imperialistisches Zeichen? Also ein Zeichen des Strebens nach Herrschaft, ja nach Weltherrschaft? Und hat nicht auch ein Text wie der heutige Predigttext Weltherrschaft im Blick, wenn es da unter anderem als Auftrag des auferstandenen Jesus an seine Jünger heißt: „Gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“? Ja, es geht wohl um Weltherrschaft, aber um eine, die den Menschen, die der Schönheit des Lebens dienen will; die man selbst als befreiend und guttuend erlebt.

     Eines muss man ja leider sagen: Auch das Christentum hat eine Gewaltgeschichte. Die Kreuzzüge gehören dazu; oder Zwangsbekehrungen, Zwangstaufen, als mit den Seefahrern und Soldaten aus Spanien auch Missionare nach Mittel- und Südamerika kamen. Ein großer Ansehensschaden für den christlichen Glauben, wie es auch noch andere kleinerer und größerer Art gibt. Man kann die Linie dabei auch weiter ausziehen bis zu uns hin und fragen: Wie sehr wird eigentlich durch unser eigenes Leben, wo immer es spielt, erkennbar und erfahrbar, dass wir getaufte Christen sind und damit Jesus nachfolgen?

     Der heutige Predigttext ist das Finale des Matthäusevangeliums; alles Vorherige läuft darauf zu. Und das letzte Wort hat dabei eine gewaltige Zusage; der auferstandene Jesus sagt seinen Jüngern zu: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Mt. 28, 20) Sich diese wunderbare, herrliche, große Zusage gefallen zu lassen, sich über sie zu freuen, sie zu genießen und auszustrahlen, dass er da ist als Lebendiger und wir zu ihm gehören, darin besteht, denke ich, grundlegend, der christliche Glaube. Einer, Jesus, ist in jedem Fall an unserer Seite und für uns da, wohltuend und befreiend. Betend können wir uns ihm anvertrauen. Er unterstreicht und bekräftigt mit seiner ganzen Geschichte, dass Gottes Herz für uns schlägt in Zeit und Ewigkeit.

     Man kann einwenden: Das mit Jesu Auferweckung durch Gott, Überwindung des Todes, ewiges Leben, auch für uns, das ist doch eine Illusion, „das ist zu schön, um wahr zu sein“. Der heutige Predigttext hält fest, dass selbst einige der Jünger zweifelten (Mt. 28, 17) Jesus macht ihnen deswegen keinen Vorwurf. Ich selbst stelle ihn mir verständnisvoll lächelnd vor. Ja, ihr habt Recht, es gibt so manchen Grund an Gottes Herrschaft zu zweifeln, am Sieg des Lebens über den Tod, an das Leben in neuer Gestalt über den Tod hinaus, daran, dass alles heil und gut wird, und doch bleibt die herzliche Einladung, meine Zusage ernster als den Zweifel zu nehmen, meiner Zusage Vertrauen zu schenken, dass nichts und niemand aus Gottes Hand fällt, dass mir von ihm alle Gewalt, sprich Vollmacht gegeben ist „im Himmel und auf Erden“ (Mt. 28, 18) und darum die Liebe regiert, niemals totzukriegen ist und am Ende triumphiert in Ewigkeit. Darum geht hin in alle Welt, ladet alle ein, der bedingungslosen und ewigen Liebe Gottes Vertrauen zu schenken und sprecht sie ihnen durch die Taufe ausdrücklich und ganz persönlich zu. Lasst euch durch das, was ich euch gelehrt habe, prägen und bewegen.

     Damit ist Bezug genommen auf die im Matthäusevangelium zu findende Bergpredigt. Zu ihr gehört das Vaterunser (Mt. 6, 9-13); oder die Ermutigung, selbst feindlich gesonnenen Menschen zugewandt zu bleiben, „auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Mt. 5, 45) Oder die Seligpreisungen wie „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden“ (Mt. 5, 4); „Selig sind, die da hungert nach Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden“ (Mt 5, 6); Selig sind die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt. 5, 9)

     Ein neues Kapitel seiner Liebes- und Rettungsgeschichte hat der befreiende Gott Israels durch sein Kommen in Jesus für alle Welt aufgeschlagen, und auch durch die Jünger und Jüngerinnen Jesu will sie weiter ihre Kreise ziehen. Jünger bedeutet Schüler. Also bei Jesus sollen wir in die Schule gehen, abgucken, lernen, wie man tröstlich, Hoffnung weckend, vergebend, heilend spricht und handelt. Ja, es geht um Weltherrschaft – die Liebe soll siegen über die vielen kleinen und großen Lieblosigkeiten, das Licht über all das, was Finsternis-Erfahrungen sind, das Leben über den Tod. Dafür, dass das schon jetzt in größtmöglicher Weise Wirklichkeit wird, sendet Jesus seine Jünger und Jüngerinnen in die Welt, auch uns. Und er ermuntert uns, größer als alle möglichen Zweifel seine Zusage sein zu lassen, die uns hält, trägt, beflügelt: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“. Der von Gott auferweckte Jesus, der durch Gottes Geist gegenwärtig und nahe ist, begleitet uns auf unserem Weg durch Raum und Zeit, bis wir schließlich angekommen sind im Land des Himmels und alles heil und gut sein wird. Amen.