Gedanken zum Altjahresabend

Nachricht 31. Dezember 2020

Predigt zu 2. Mose/Exodus 13, 20-22

Liebe Schwestern und Brüder,

was für ein Jahr 2020! Das alles beherrschende Thema dürfte „Corona“ gewesen sein; und es beschäftigt uns und die ganze Welt weiterhin. „Pandemie“ und „Lockdown“ sind von der Gesellschaft für deutsche Sprache zu den Wörtern des Jahres 2020 gewählt worden. Sprache gibt wieder, was das Leben bestimmt und prägt. Ein ganz kleines heimtückisches Virus hat die Welt im Griff und führt uns Menschen die Gefährdung und Verletzlichkeit des Lebens vor Augen. Wie geht es Ihnen, wie geht es uns? Auch, wenn wir abseits von „Corona“ auf unser persönliches Leben in diesem Jahr zurückblicken und Bilanz ziehen. Wie steht es um Beziehungen mit anderen Menschen, in der Familie und überhaupt, wie steht es um Beruf, Schule, Gesundheit? Was war gut, schön, gelungen, erfüllend? Was machte Sorgen und Angst? Wo war Lachen, Freude, wo Weinen und Traurigkeit? Mit was für Gedanken und Empfindungen schreiten wir nun hinüber von diesem Jahr in das Neue?

     Es gibt ein Zitat von Erich Kästner, das ganz gut zu einem Jahreswechsel passt: „›`Wird´s besser? Wird´s schlimmer?´ fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich.‹“ Noch einmal: Auch „Corona“ macht uns das auf eine eigene Weise bewusst. Bedrohliche, lebensgefährliche Viren, die vermuteten wir eher weit weg, jetzt sind sie hier, ganz nahe und keiner weiß, ob, wann und wie die Gefahr einen selbst treffen könnte.    

     In diesem Jahr können Menschen an Silvester auch nicht so einfach „wegknallen“ und „wegfeiern“, überspielen und übertünchen, dass ein Jahreswechsel auch etwas Wehmütiges hat: Schon wieder ein Jahr vergangen, eben auch ein Jahr unserer eigenen Lebenszeit auf dieser doch ja auch schönen, sehr schönen Erde. Zu allermeist: Wir leben gerne. Ein Jahreswechsel erinnert, wenn man es zulässt und nicht verdrängt, an die Endlichkeit irdischen Lebens, erinnert damit aber auch zugleich an die Kostbarkeit jeden Tages, der uns geschenkt und anvertraut ist. Was wollen wir mit der geschenkten Zeit machen, wie sie gestalten, wofür sie einsetzen?

     Wie ein neues unbekanntes Land betreten wir nun in wenigen Stunden das neue Jahr 2021. Was kommt da auf uns zu? Erwartungsfroh oder auch bange kann man diese Frage stellen. Aufbrechen müssen wir in jedem Fall. Aber nicht allein; dessen vergewissern wir uns in jedem Gottesdienst, zum Jahreswechsel insbesondere. Gott geht mit!

     Das unterstreicht auch der für den heutigen Altjahrsabend vorgesehene Predigttext aus dem 2. Buch Mose. Er hat zum Hintergrund den Auszug der Israeliten aus der Knechtschaft in Ägypten. Nun sind sie an der Schwelle, am Übergang, das Land hinter sich zu lassen, aber vor ihnen liegt Neuland und der unbekannte Weg, der zudem erst einmal durch die Wüste führt. Doch darauf sollen sie weniger schauen als darauf, dass an der Spitze des Zuges Gott selbst geht, sie also einen Weggefährten, ja einen Wegbereiter, Wegbahner und Bahnbrecher haben. Der Predigttext bringt es so zum Ausdruck: Lesen von 2. Mose 13, 20-23.

     Diese Worte sind eine Einladung, der Beständigkeit der Wegbegleitung Gottes zu vertrauen, egal, durch was für Gelände der Weg führt, besser gesagt: Gott den Weg führt. Sobald die Wolkensäule verschwindet, geht die Feuersäule auf und umgekehrt. Ohne Unterbrechung wechseln sie sich ab, diese Zeichen, dass Gott da ist und mit-, ja vorangeht. Übrigens, in der hebräischen Ursprache des Predigttextes gehören das Wort für „Säule“ und das Verb aus dem berühmten 23. Psalm für „bei mir sein“ zum selben Wortstamm. Ich fürchte „kein Unglück; „denn du bist bei mir“, so heißt es im 23. Psalm; im Predigttext stehen für diese Gottesgegenwart als Bild die Wolken- und die Feuersäule.

     Gleich dreimal ist in den wenigen Versen des Predigttextes davon die Rede, dass Wolken- und Feuersäule als Zeichen der Gottesgegenwart sich ununterbrochen abwechseln, also Gott sozusagen rund um die Uhr da ist und erfahren werden kann, egal, wie die zeitlichen Umstände gerade aussehen, sprich, ob der Weg am helllichten Tage, sonnenbeschienen beschritten wird, oder ob er durch die Nacht führt, die Angst machen will. Nacht, eben auch ein Symbol für alles, was uns ängstigen, bedrängen und zusetzen kann. Verlorengehen können die, die mit Gott unterwegs sind, auch in der Nacht, in Finsternis-Erfahrungen nicht; die Feuersäule leuchtet, ist Zeichen Gottes: Fürchtet euch nicht. Ich bin ja da. Ich leuchte einen gangbaren Weg aus und bahne ihn auch durch die Nacht.

     Im Abschnitt, aus dem der Predigttext stammt, wird auch erzählt, dass die Israeliten den letzten Willen von Josef, dem wohl berühmtesten Sohn des Stammvaters Jakob, erfüllen. Sie nehmen seine Gebeine aus Ägypten auf ihren Weg mit und damit gewissermaßen auch die grundlegende Lebenserfahrung, die dieser Josef angesichts widriger Umstände gemacht hat. Er brachte zum Ausdruck, dass am Ende sich Folgendes zeigt: „aber Gott gedachte es gut zu machen“ (1 Mose 50, 20). Die Dinge fügen sich zum Guten, zum Besten.

     Auch die Israeliten, sind im von Gott verheißenen Land angekommen, trotz Umwegen, trotz manchen Murrens gegen Gott, trotz schwieriger und gefährlicher Wegabschnitte. Gott blieb und bleibt seiner Zusage der Wegbegleitung und Wegbahnung treu.

     Vor einer Woche erst haben wir eine Bekräftigung dieser Zusage gefeiert, die Geburt Jesu, Gottes eigene Menschwerdung in ihm. Wenn Menschen sich Jesus anschließen, ihm nachfolgen, dann erfahren Menschen auch durch ihn die wohltuende, lichtbringende Gegenwart des Gottes Israels. In Jesus unterstreicht Gott, dass er gangbare Wege bahnt, dass er eine Bahn bricht selbst durch den Tod.

     Nicht zuletzt wir als Christen betrachten das Leben, die Zeit, wie man mit einer lateinischen Redewendung sagt, „sub specie aeternatis“, übersetzt: „unter dem Blickwinkel der Ewigkeit“. Unser Weg durch Zeit und Raum hat gutes Ziel. Dass Dinge, dass das Leben sich immer wieder zum Guten fügt, das erleben Menschen immer auch schon jetzt. Aber der Weg geht noch weiter: Er mündet schließlich ein ins Land des Himmels, in einer neuen Gestalt des Lebens. Erich Kästners Frage „›`Wird´s besser? Wird´s schlimmer?´ fragt man alljährlich‹“, ist eindeutig zu beantworten: Geht Gott mit und voran, so wird der Weg gut, er mündet sogar im Besten ein, in das unangefochtene Fest des Lebens der ewigen Welt. Christen sind Optimisten, sie erwarten das Beste und haben Grund dazu: Wolken- und Feuersäule und die Geschichte Jesu, die unterstreicht: Gott ist und bleibt bei uns, auch jetzt und im neuen Jahr 2021, allezeit und in Ewigkeit. Amen.

Superintendent

Dr. Volker Menke
Luisenstr. 15
31224 Peine