Gedanken zum 2. Sonntag im Advent

Nachricht 06. Dezember 2020

Liebe Gemeinde!

Advent 2020. Eine besondere Zeit. So einiges, was wir über Jahre liebgewonnen hatten, suchen wir dieses Jahr vergebens: Weihnachtsmärkte, Weihnachtsfeiern, Adventssingen. Dafür nutzen wir verstärkt digitale Angebote, müssen uns bei der Planung des Weihnachtsfestes kreativ zeigen.

Wenn ich mich auf den Weg mache in Richtung der weihnachtlich geschmückten Innenstadt, dann halte ich vor dem Beginn der Fußgängerzone an. Es dauert einen Moment, bis die Maske richtig sitzt. Weitergehen. Vor dem Bäcker warten, bis ich eintreten darf. In der Fußgängerzone warten, bis ich mit dem nötigen Abstand an anderen Menschen vorbeigehen kann. Geduldig sein mit denen, die drängeln. Warten auf Wieder-gemeinsam-Singen-Dürfen, warten auf in die Arme schließen und herzlich drücken.

Advent 2020 – noch mehr Warten als sonst. Ganz deutlich prägt das Warten auf ein Ende der Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen uns und unser Leben. Aber im Advent warten wir eigentlich auf etwas ganz anderes. Darauf weist auch der Predigttext aus dem 5. Kapitel des Jakobusbriefes hin. Dort heißt es:

7 So seid nun geduldig, Brüder und Schwestern, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. 8 Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.

 

„So seid nun geduldig!“ Gleich zweimal ruft der Verfasser des Jakobusbriefes in diesen drei Sätzen seine Adressaten zur Geduld auf. So als müsse er dieser Aufforderung einen ganz besonderen Nachdruck verleihen. „So seid nun geduldig!“

Von der Geduld, vom Durchhalten können wir inzwischen ein Lied singen. Die Corona-Pandemie hat uns allen bisher einiges abverlangt. Und sie wird es noch weiterhin tun. Ungewohnte Wege, Nachteile, Verzicht. Anfangs hatten wir noch die Hoffnung, dass all das schnell vorübergeht. Aber es ist ganz anders gekommen. Der Alltag ist nach wie vor anstrengend. Es zehrt an den Kräften von Seele und Körper, weil wir nicht unbeschwert und frei leben können. Es ist also kein Wunder, dass so manch einem der Geduldsfaden reißt. Denn die Reserven an Geduld sind knapp geworden. Das Unbehagen, die Ungeduld steigt, langsam, aber stetig. Wie lange werden wir all das ertragen können? Wir durchleben eine echte Geduldsprobe.

Macht es sich der Verfasser des Jakobusbriefes nicht ein bisschen zu einfach, wenn er die Leser auffordert: „So seid nun geduldig!“? Nun, er will einerseits aufmuntern, hat dafür aber andererseits auch einen guten Grund. Er sagt: „Kopf hoch! Ihr schafft das. Und ihr müsst das nicht alleine schaffen.“ Jakobus wusste, was nötig ist, damit das Geduldig-Ausharren gelingen kann. Dazu brauchen wir gute Aussichten. Jakobus bietet seinen Adressaten die Perspektive, dass der auferstandene Herr Jesus Christus bald wiederkommt und dass damit Gottes Reich Wirklichkeit sein wird, indem jedem ein heilvolles Leben geschenkt wird.

Nun leben wir 2000 Jahre, nachdem der Jakobus-Brief geschrieben wurde, nicht mehr in dieser Naherwartung, die den ersten Christen eigen war. Aber wir glauben dennoch daran, dass sich mit Jesus Christus vieles verändert hat. Und wir leben in der Hoffnung, dass unser Leben mit ihm gelingen wird. Wir können das schon hier und jetzt erleben. Auch wenn das immer wieder unvollkommen und bruchstückhaft bleibt. Es geschieht, mitten unter uns.

Jakobus wählte einen Vergleich aus der Landwirtschaft, um zu erklären, wie man Geduld einübt: „Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und den Spätregen.“ Der Bauer muss zunächst tätig werden, muss pflügen und säen. Dann bleibt ihm aber nichts anderes übrig, als auszuharren, bis die Saat aufgeht. Er hat es nicht in der Hand, ob und wann der Regen fällt. Er kann nur hoffen, Gottes Geschenk zu empfangen. In jeder Adventszeit üben wir diese Geduld des Bauers ein, wenn wir den Weg gehen bis zum 24.12., an dem wir Gottes Ankunft bei uns feiern wollen.

Der Bauer weiß: Die keimende Saat wird auf ihrem langen Weg zur Ernte den notwendigen Regen abbekommen. Das gilt, auch wenn es mal Dürreperioden gibt. Wir wissen und können in biblischen Texten nachlesen, welche Erfahrungen Menschen immer wieder mit Jesus und Gott gemacht haben. Gott lässt uns auf unseren Wegen durch die Zeit nicht ohne Hilfe.

Advent heißt deshalb auch, dass wir in aller Geduld empfänglich werden für das, was von Gott kommt. Wenn wir die alten Geschichten lesen von Abraham, Jakob, Josef und Mose. Wenn wir in die Worte der Psalmen einstimmen, die uns aus der Seele sprechen. Wenn wir in den Evangelien von Jesus hören, wie in seiner Gegenwart Blinde wieder sehen können, Lahme wieder gehen können, Aussätzige rein werden und Tote auferstehen. Jetzt ist Zeit dafür, sich unserer Botschaft zu vergewissern. Das kann unsere Hoffnung stärken und uns zuversichtlich machen. Das kann dann für uns quasi der erfrischende Regen dieses Jahres 2020 sein.

In dieser unserer Hoffnung können wir geduldig auch schwere Zeit meistern.

Diese Geduld kann zu einer Haltung werden. Zu einer Haltung im christlichen Glauben. Geduld, die die Schwierigkeiten erträgt und unverzagt bleibt. Geduld, in der das Herz fest bleibt und nicht wankt. Geduld, die ansteckend wirkt. Und in der Gemeinschaft der Geduldigen können wir dann auch das Warten gestalten. Jetzt im Advent.

Amen

 

 

Bleiben Sie behütet und gesund!

Ihre Pastorin Heidrun Gunkel

Pastorin

Dr. Heidrun Gunkel
Luisenstraße 11
31224 Peine