Königskinder
KÖNIGSKINDER
In den Sommerferien habe ich Gottesdienste in Désháza/Deja, einem Dorf in Siebenbürgen/Rumänien, mitgefeiert. In der Kirche der dortigen ungarischen reformierten Gemeinde hat es mir der sogenannte Schalldeckel, das ist das „Dach“ über der Kanzel, mit seiner Symbolik angetan. Er ist wie eine Krone gestaltet. Will sagen: das biblische Wort, das auf der Kanzel zur Sprache kommt, ist kostbar und wertvoll. Es ist ein königliches Wort. Es bringt Gott zur Sprache, für den in der Bibel öfter das Bild des Königs verwendet wird. Zum Beispiel im 47. Psalm: „Denn Gott ist König über die ganze Erde; lobsinget ihm mit Psalmen!“ (Ps. 47, 8)
In unserer Mutter- bzw. Schwesterreligion, dem Judentum, haben Tora-Rollen öfter eine Krone. Auch hier ist sie ein Symbol der Anerkennung Gottes; man nimmt ihn und das Wort, das von ihm erzählt, ernst, setzt sich mit ihm auseinander, lässt es auf sich wirken, lässt sich von ihm bewegen. Die Tora-Krone wie die Krone der Kanzel in der Kirche von Deja bringen aber auch etwas von unserer Würde als Menschen zum Ausdruck: Wenn Gott König ist, was sind wir dann? Königskinder! Groß sollen wir von uns denken und die Würde widerspiegeln, dass wir zu Gott gehören, dem großen König, dem sich die Welt, das Sein, das Leben verdankt.
Auf dem Schalldeckel der Kirche in Deja ist noch ein anderes Symbol zu sehen, es bildet die Spitze der Krone. Es ist das Bild des Pelikans, ein altes Symbol für Christus. Es geht auf die Vorstellung zurück, dass der Pelikan seinen Jungen etwas von sich selbst als Nahrung gibt, sie mit dem eigenen Blut füttert und ihnen das Leben ermöglicht. Es hat Gott als König immer schon in die Welt hinein, zu den Menschen hingezogen. Ein Leben hinter Palastmauern ist sozusagen nicht sein Ding. Es zieht in zu uns, seinen Menschenkindern, den Königskindern. Durch Christus unterstreicht Gott das. In Christus unterstreicht Gott, dass er, der große König, Diener ist, dass er dem Leben dient. Herrscher stellen sich oft als Diener ihres Volkes dar und wirken dann oft ganz anders. Gott aber ist wahrhafter und treuer Diener dem Leben zugute, tröstet, wirkt heilend, gibt gute Wegweisung, vergibt, damit Neuanfänge möglich sind, öffnet, bahnt einen Weg selbst durch den Tod hindurch. Das Leben hat Zukunft, es ist und bleibt stärker als der Tod.
Etwas von der daraus resultierenden Gelassenheit, Heiterkeit, Lebensfreude spiegelt sich für mich in den jungen Pelikanen wider, die auf der Kanzelbekrönung in der Kirche zu Deja zu sehen sind. Sie stehen als Bild für uns. Genährt, gestärkt von Christus, sind sie flügge und startbereit, tragen in die Welt hinein die Botschaft vom großen König Gott, der, unterstrichen in Christus, sich für uns als Diener zum Leben einsetzt und hingibt. Dem Leben, dem Blühen des Lebens dienen, das wollen wir, denn wir sind Gotteskinder, Königskinder.
Sup.Dr. Volker Menke